Eine Rundreise mit dem E-Bike durch Italien: „Pazzo“ und Herzlichkeit, NN vom 25.06.2025

Der Alpener Thomas Hommen fuhr mit dem E-Bike den italienischen Stiefel entlang

ALPEN. Ein Wort bekam Thomas Hommen bei seiner vierwöchigen Radtour durch Italien fast täglich zu hören: „Pazzo.“ Der Alpener Extrem-Radfahrer fuhr mit seinem „Wurm“, wie er sein E-Bike liebevoll nennt, einmal den italienischen Stiefel entlang. 4267 Kilometer und knapp 30.000 Höhenmeter legte der 58-Jährige an 30 Tagen zurück und wurde dafür selbst von den Italienern in ihrer Landessprache für „verrückt“ beziehungsweise „wahnsinnig“ gehalten. Hommens persönliche „G’iro D’Italia“ stand dabei für ihn jedoch vor allem unter dem genussvollen Motto „Pizza, Pasta, Pasticceria“. Nach seiner Rückkehr zeigt sich der Alpener zudem immer noch beeindruckt von der italienischen Gastlich- und Herzlichkeit, der Hilfsbereitschaft und der wunderschönen Landschaft an Italiens Küsten. Eine Unterkunft, die es nie gab, und streunende Hunde bereiteten ihm zwischenzeitlich jedoch auch Probleme.

In Bologna startete Hommen Mitte April seine Tour „bei Top-Wetter“, wie sich Hommen erinnert und ergänzt: „Es blühte alles. Die Natur war wunderschön. Deshalb war es auch die beste Entscheidung, meine jährliche große Radtour in diesem Jahr bereits im Frühjahr zu machen.“ Hitze mache ihm zwar eigentlich nichts aus, aber die Wetterbedingungen im Frühjahr seien trotzdem um einiges angenehmer gewesen, auch wenn er zwischenzeitlich irritierte Blicke von Einheimischen für die Wahl seines Rad-Outfits hinnehmen musste: „In einer meiner Unterkünfte sagte ein Italiener zu seiner Frau, dass man den Deutschen am T-Shirt erkennen würde. Für die Italiener waren 20 Grad noch kühl, für mich warm.“

Hommens Fahrradtour ging zunächst recht entspannt vonstatten. Seine vorab ausgewählte Route führte ihn vom Flughafen-Parkplatz in Bologna, wo er sein Auto für vier Wochen abstellte, nach Ravenna, Fano, Ancona, Ascoli, Lanciano, San Severo, Trani, Bari, Brindisi, Lecce bis nach Alberobello, wo er sich die kleinen, weißen Rundhäuser namens „Trulli“ mit kegelförmigen Dächern, die aus Kalkstein ohne Mörtel errichtet wurden, anschaute. Sie sind ein charakteristisches Merkmal der apulischen Region und wurden 1996 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. „Das ist eine reine Touristen-Attraktion. Es ist natürlich eine historisch gewachsene Stadt, die man mal gesehen haben kann und schön aussieht, aber eben sehr touristisch ist“, lautete Hommens Fazit.

Italienische Hilfsbereitschaft

Für den 58-Jährigen ging es schließlich weiter nach Matera, Potenza, Salerno und Mandragone, wo er am 1. Mai ankam, der auch in Italien ein Feiertag ist. Hier lernte Hommen die italienische Gast- und Hilfsbereitschaft erst richtig kennen. „Ich kam so um 14 oder 14.30 Uhr in meiner Unterkunft an und fragte nach einem Supermarkt, der noch geöffnet hat. Dieser hatte allerdings am Feiertag nur von 9 bis 13 oder 14 Uhr geöffnet. Mein Vermieter sagte jedoch direkt, dass er den Inhaber kenne. Deshalb rief er ihn an und er öffnete den Supermarkt noch einmal nur für mich“, berichtet Hommen. Als wenn das nicht schon genug gewesen sei, habe der Vermieter noch einen obendrauf gesetzt: „Der Supermarkt war nur etwa einen Kilometer entfernt, aber er bestand darauf, mich mit dem Auto dorthin zu fahren und zu warten, bis ich eingekauft habe. Ich hätte den einen Kilometer zur Unterkunft auch zurücklaufen können, aber das wollte er nicht. Das fand ich wirklich bemerkenswert. Aber es passt ins Bild der Italiener, das ich über sie während meiner Reise gewonnen habe.“

Einen Tag später in Anzio erlebte Hommen aber seinen ersten Schock-Moment der Reise: Denn die Unterkunft, die er für eine Nacht gebucht hatte, gab es schlichtweg nicht. „Ich stand auf der richtigen Straße und hatte auch die richtige Hausnummer eingegeben, aber da war kein Haus. Ich habe dann noch Passanten gefragt, aber auch sie kannten die von mir gebuchte Unterkunft nicht“, berichtet der Alpener, der sofort telefonischen Kontakt zu der Buchungsplattform aufnahm, auf der er das Appartement gebucht hatte. Nach einigen vergeblichen Versuchen und einem erneuten Anruf half ihm die Buchungsplattform dabei eine neue Unterkunft zu finden. „Diese war nur etwa 500 Meter entfernt. Die Mehrkosten wurden übernommen, sodass alles am Ende gut für mich ausging“, sagt Hommen.

Einen Tag später in Formello hatte der Extrem-Radfahrer dann eine Unterkunft, die keine – von ihm immer mal wieder dringend benötigte – Waschmaschine hatte. „Die Vermieterin sagte sofort: Gib mir Deine Sachen, ich wasch für dich. Das ist kein Problem. Da war auch wieder die italienische Freundlichkeit zu spüren. Das war eine tolle Aktion“, findet Hommen.

Für ihn ging es schließlich weiter nach Tuscania, Orvieto und Siena („die schönste Stadt auf meiner Tour“), wo ihn seine mittlerweile zerbrochene Bildschirm-Schutzhülle seines Smartphones störte. Also suchte er einen Store auf, der ihm die Schutzhülle tauschen konnte. „Mit dem Betreiber kam ich währenddessen ins Gespräch. Als er fertig war, sagte er: Das Cover geht aufs Haus. Auch er fand meine Idee, Italien mit dem Fahrrad zu durchfahren, verrückt“, berichtet Hommen.

Über Volterra, Livorno, Castelnouva fuhr der Alpener schließlich weiter nach Rapallo. „Die Strecke von Rapallo nach Portofino war für mich auch eine der schönsten Strecken auf der Tour. Sie war einfach malerisch“, sagt Hommen. Genua – eine der größten Städte auf seiner Radtour – überzeugte ihn dagegen nicht. Über Voghero, Piacenza und Parma und nach einem Besuch im Ferrari-Museum in Maranello ging es für Hommen schließlich zurück nach Bologna. An seinem letzten richtig italienischen Abend in Parma konnte Hommen die Italiener in einer typischen Trattoria aber nochmal von sich überzeugen. „Ich hatte mir dort ,Pasta al pesce‘, also Pasta mit Fisch bestellt. Und ich hatte mich ja intensiv auf die Reise vorbereitet. Auf jedem Tisch steht immer ein großer Topf Parmesan und die Italiener wollen auch, dass man die Pasta mit Parmesan ist – außer wenn sie mit Fisch ist. Dann gehört dort kein Parmesan drauf“, weiß Hommen. Die Amerikaner an einem Nebentisch hatten davon aber offensichtlich noch nichts gehört: „Sie taten haufenweise Parmesan auf ihre Pasta drauf und die Besitzer schauten schon komisch. Als sie bei mir abräumen kamen, stellten sie mir einen Kaffee hin. Ich sagte, ich habe doch gar keinen bestellt. Aber sie meinten, der geht aufs Haus dafür, dass ich mich an dieses italienische Pasta-Gesetz gehalten habe.“ Hommen, der vor seiner Italien-Rundreise kein Kaffee-Trinker war, hat während der vier Wochen übrigens seine Leidenschaft für das „schwarze Gold“ entdeckt: „Ich habe so viel leckeren, italienischen Kaffee beziehungsweise Espresso getrunken, dass ich ihn wirklich lieben gelernt habe und mir nach meiner Rückkehr sogar einen traditionellen Espressokocher gekauft habe.“

4267 Kilometer

Doch die 4267 Kilometer entlang des italienischen Stiefels hatten für Thomas Hommen über vier Wochen auch so ihre Tücken. „Mein Lieblingsschild war ,Strada chiuso‘ – also Straße gesperrt. Das kam wirklich oft vor – manchmal sogar erst nach einigen Kilometern – und hat mir so einige zusätzliche und eigentlich unnötige Kilometer beschert“, sagt Hommen. Darüber hinaus habe er sich dem italienischen Fahrstil anpassen müssen. „Wenn man durch Italien fährt, muss man sich im Klaren darüber sein, dass die Autos nur wenige Meter an einem vorbeifahren. Zudem heißt Rot nicht immer, dass man anhalten muss“, sagt Hommen. Was er aber nicht auf dem Schirm gehabt habe, seien streunende Hunde beziehungsweise Hüteschutzhunde, die ihm einmal etwas Sorge bereitet hätten: „Die Hüteschutzhunde sollen ja eine Herde beschützen. Als mir auf einer Straße welche begegnet sind, haben sie mich direkt gemustert und um mich herumgestanden. Da habe ich schon etwas Angst bekommen. Ich habe aber versucht, gar keinen Blickkontakt aufzubauen und bin langsam weitergefahren. Dann haben sie wohl gemerkt, dass ich keine Gefahr bin und haben mich durchfahren lassen.“

Überrascht sei er auch über das entspannte Fahren durch Rom gewesen. „Ich bin ja schon durch viele Großstädte wie Düsseldorf, Budapest oder Paris gefahren. Aber Rom war wirklich am entspanntesten“, sagt Hommen. Aufgrund des Todes von Papst Franziskus am Ostermontag hatte der Alpener sich spontan entschlossen, der italienischen Hauptstadt doch einen Kurzbesuch abzustatten. „Ich war neugierig auf die Stimmung auf dem Petersplatz. Während der Sedisvakanz im Vatikan zu sein, war schon etwas Besonderes“, sagt Hommen, der am Ostermontag – noch bevor er vom Tod des Papstes erfahren habe – plötzlich gemerkt hatte, dass etwas anders gewesen sei: „Die Italiener waren auf einmal viel stiller. Da merkte man auch, dass der Papst in Italien noch einmal eine ganz andere Bedeutung hat als bei uns.“ Dass ein neuer Papst gewählt worden sei, habe Hommen schließlich beim Abendessen erfahren. „Ich saß gerade im Restaurant Livorno und die Italiener waren außer sich, weil ein Amerikaner zum neuen Papst gewählt worden ist. Sie hatten sich wohl auch sehr einen Italiener gewünscht“, berichtet Hommen.

Die vierwöchige Italien-Rundreise sei wie im Flug vergangen, sagt Hommen. Wahrscheinlich auch, weil es so schön gewesen sei. „Für mich war es meine bislang schönste Tour – es hat einfach alles gepasst: Vom Wetter über die Gastfreundlichkeit und Herzlichkeit der Italiener, der Natur und Strecken, das gute Essen mit leckerer Pasta, Pizzen und der feinen Süßwaren namens ,Pasticceria‘ bis hin zu den Unterkünften, bei denen auch die Vermieter immer behilflich waren, dass ich mein Fahrrad mit Anhänger gut unterstellen konnte.“ Dass er zuvor über mehrere Monate die italienische Sprache gelernt habe, sei zusätzlich hilfreich gewesen: „Das haben die Italiener definitiv honoriert und es hat auch gut geklappt – außer wenn sie zu schnell gesprochen haben. Aber dennoch konnte ich mich gut mit ihnen verständigen. Darauf möchte ich nun auch weiter aufbauen und mein italienisch weiter vertiefen.“

Text: Sabrina Peters (Niederrhein Nachrichten)