Eine geschichtliche Reise mit Pleiten, Pech und Pannen, NN vom 25.09.2024
Thomas Hommen radelte von Alpen nach Nordfrankreich / Auf der „Geschichtstour“ kam vieles anders
ALPEN. Schon als Thomas Hommen zu seiner Fahrrad-Rundreise durch Deutschland, Belgien und Frankreich an seinem Wohnort in Alpen aufbrach, waren die Bedingungen alles andere als gut. „Es war wirklich eine Katastrophe. Es hat nur geregnet“, erinnert sich der leidenschaftliche Radfahrer, der in diesem Jahr auf seiner jährlichen Auslands-Fahrradtour keine neuen Rekorde aufstellen, sondern auf historischen Pfaden unterwegs sein wollte. Dass dabei der anfängliche, nicht enden wollende Regen noch sein kleinstes Übel sein würde, hatte Hommen zu Beginn noch nicht gedacht. Auf Hommen warteten in den 17 Tagen, in denen er 2084 Kilometer und 11.701 Höhenmeter bewältigte, nämlich einige unliebsame Überraschungen.
Schon in den ersten Tagen musste Hommen sein Durchhaltevermögen unter Beweis stellen. „Es sah landschaftlich so aus, als würde ich in die Niederlande – etwa nach Gennep – zum Einkaufen fahren“, sagt Hommen. Dabei macht der Alpener seine jährliche Radtour ins Ausland ja gerade deshalb, weil der Extrem-Radfahrer am Niederrhein und den benachbarten Niederlanden jede Fahrradstrecke ganz genau kennt.
Nach 144 Kilometern hatte Hommen sein erstes Ziel im belgischen Ravels erreicht. Von dort ging es weiter nach Gent – wie sich später herausstellte, einem der überraschend wenigen Höhepunkte seiner Reise. „Gent war wirklich sehr, sehr schön. Ganz klassisch. Ich hatte dort eine Unterkunft mitten in der wunderschönen Altstadt. Ganz toll war etwa die beleuchtete Burg. Das hat schon sehr viel Spaß gemacht. Deshalb fahre ich auch nochmal mit meiner Frau dorthin“, sagt Hommen.
Von Gent ging es für Hommen weiter nach Brügge. Einen eigentlich geplanten Zwischenstopp in Antwerpen ließ er aus („man hatte mir vorher gesagt, dass sich das nicht lohnt“), allerdings verzweifelte er fast an einer vermeintlichen Brücke, die sich später als Tunnel („Sint-Annatunnel“) herausstellen sollte. „Hier gab es Treppen, wo ich aber direkt gesehen habe, dass ich diese mit dem Fahrrad allein, aber niemals mit dem Anhänger passieren könnte. Erst nach langsam Suchen fand ich heraus, dass das keine Brücke, sondern ein Tunnel mit Aufzug ist – und dieser war so groß, dass ich problemlos mit meinem Fahrrad und dem Anhänger hineinpasste“, erinnert sich Hommen.
Auf dem Weg weiter nach Brügge konnte Hommen dann die vielen Wasserstraßen („Grachten“) bewundern. Die Hauptstadt von Westflandern im Nordwesten Belgiens hatte sich Hommen zuvor allerdings wesentlich schöner vorgestellt. „Gent hat mich ja sofort abgeholt und mitgenommen. Brügge hingegen war so gar nicht meins“, resümiert der Extrem-Radler, der auch noch (fast) Opfer eines Diebstahles wurde: „Ich bin in der Stadt die Sehenswürdigkeiten abgefahren. Ich wollte gerade ein Foto machen, als mir ein Jugendlicher mein Smartphone aus der Hand gehauen hat. Ich bin ihm sofort hinterhergelaufen und habe glücklicherweise mein Telefon zurückbekommen – der Jugendliche konnte aber fliehen. Als ich an meinem Fahrrad – das ich zum Glück abgeschlossen hatte – zurück war, war allerdings meine Brille weg, die ich auf den Gepäckträger gelegt hatte“, schildert Hommen. In einem Fahrradgeschäft musste er sich am nächsten Tag eine neue Brille kaufen („ohne geht es bei der Geschwindigkeit und der Strecke nicht“). Sein Smartphone wäre allerdings der um einiges Schlimmere Verlust gewesen. „Dort habe ich ja meine ganze Route drauf. Das ist also nicht nur mein Fotoapparat, sondern auch mein Navigationsgerät“, sagt Hommen.
Seine diesjährige Rundreise mit dem Fahrrad stand ja unter dem Motto „Geschichtstour“. In Dünkirchen (französisch Dunkerque; Anm. d. Red.) setzte sich Hommen intensiv mit dem zweiten Weltkrieg auseinander (Die „Schlacht von Dünkirchen“ fand im Mai und Juni 1940 statt; Anm. d. Red.). „Das dortige Museum war sehr interessant. Es war super in diese Geschichte einzutauchen, auch wenn es natürlich gleichzeitig auch sehr bedrückend war“, sagt Hommen. Der eigentliche Höhepunkt sollte erst etwas später in Verdun („Schlacht um Verdun“, Anm. d. Red.) sein, wo sich der Alpener mit dem ersten Weltkrieg befassen wollte. „Doch da hat sich leider die Arroganz der Franzosen gezeigt“, berichtet Hommen. Im Museum in Verdun, einem der markantesten Orte des ersten Weltkrieges, sollte der letzte Eintritt um 16.30 Uhr erfolgen. „Das hatte ich so recherchiert. Ich habe mich auch extra beeilt und war um 16.20 Uhr da. Vor Ort hieß es dann aber, dass das Ticket bis 16.15 Uhr gelöst werden muss. Dabei gab es in der Führung noch freie Plätze und die Gruppe stand auch noch da. Aber sie haben mich trotzdem nicht mehr reingelassen“, berichtet Hommen. Er durfte sich nur an einem Monitor bekannte Videosequenzen zur „Schlacht um Verdun“ ansehen. „Die kannte ich alle schon“, sagt Hommen. Für ihn sei dieses Ereignis der „drei-Zinnen-Moment“ der letztjährigen Tour gewesen, wo der Alpener das Gebirge in Italien bei dichtestem Nebel nur erahnen konnte (die NN berichtete). „Das war beides wirklich schade, da ich mich sehr darauf gefreut hatte“, resümiert Hommen zerknirscht.
Auch die anderen Etappen boten keine weiteren Höhepunkte mehr. In Paris legte Hommen sogar eine zweitägige Tourpause ein, um die dortigen Sehenswürdigkeiten zu erkunden. „Paris war schon sehr hektisch, aber wenn man sich darauf einlässt, geht es. Ich habe sogar den berühmtberüchtigten Kreisverkehr am Arc de Triomphe überlebt“, berichtet Hommen. Allerdings seien viele Sehenswürdigkeiten aufgrund der bevorstehenden olympischen Spiele und der zeitgleich stattfindenden Fußball-Europameisterschaft mit Public Viewings in der Stadt nicht zugänglich gewesen. Einen weiteren Tiefpunkt seiner Reise musste Hommen dann in Versailles verkraften: „Trotz vorheriger Zusage durfte ich mein Fahrrad nicht sicher abstellen. Deshalb konnte ich leider nur den Park anschauen, nicht aber das Schloss Versailles, das mich eigentlich mehr interessiert hatte.“
Über Reims, Nancy, Trier und Königswinter fuhr Thomas Hommen schließlich wieder mit seinem Fahrrad zurück an seinen Wohnort nach Alpen. Sein Fazit zur „Geschichtstour 2024“ fällt eher ernüchternd aus: „Nordfrankreich kommt für mich nicht mehr in Frage. Die Landschaft dort ist sehr karg. In der Regel stehen dort, zehn, 20 oder 30 Gebäude, eine Kirche, eine Schule und eine Mairie. Da war keine Spur von malerischen Cafés oder Bistros, wo man hätte einkehren können. Ich habe mich immer gefragt: Wo sind die schönen Landschaften, die ich immer im Fernsehen bestaunen kann, wenn ich mir die Übertragungen der ,Tour de France‘ ansehe.“ Angesichts dessen habe er feststellen müssen, dass er, was Fahrradtouren angehe, wohl eher der südländische Typ sei. Zum Glück soll es im nächsten Jahr durch Italien gehen.
Sabrina Peters (Autorin)